Latein und Weihnachten

Die Sprache lebt weiter!

Mittwoch, 07. Dezember 2016 | Dr. R. Geier

Englisch, Spanisch, Italienisch, Französisch, Portugiesisch – all diese modernen Sprachen sind undenkbar ohne Latein. Bei den romanischen Sprachen ist dies klar, aber auch der englische Wortschatz hat seinen Ursprung zu 60 % im Lateinischen.

Latein also als Quelle moderner Sprachen. Wie sieht es da mit der deutschen Sprache aus? Bleiben wir in der unmittelbaren Gegenwart – in der Weihnachtszeit. „Weihnachten“ selbst geht zwar auf eine frühe deutsche Sprachform „wihe Nachten“, also heilige Nächte zurück. Aber was wäre unser Weihnachten ohne Advent, Lametta, Plätzchen, Oblaten, Nugat und Marzipan, das Quempas-Singen zur Christmette und das Bach’sche Weihnachtsoratorium?

Im Gedenken an die kostbaren Geschenke, die die Heiligen Drei Könige dem Christkind in der Krippe zu Bethlehem brachten, schmücken wir unseren Weihnachtsbaum meist auch mit Lametta, dünnen Metallsträngen. Das lateinische Wort „lamina“ ist der sprachliche Ursprung dieses Baumschmuckes und bedeutet "dünne Platte". Wir finden es auch wieder in unseren Fremdwörtern „Lamelle“, „laminieren“. Ob man in Italien aber Lametta verlangt, sollte überlegt werden. Denn dort erhielte man dann Rasierklingen.

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Die Weihnachtszeit beginnt – sieht man vom Handel ab – im Advent. „Advenire“ heißt „ankommen, sich ereignen“. Wir feiern also die baldige Ankunft Jesu. Dieses lateinische Verb „advenire“ begegnet uns aber auch in der französischen „Avenue“, der Straße, auf der man von außen ankommt, und im deutschen Lehnwort „Abenteuer“, ursprünglich „das, was sich ereignen wird“.

Im „Plätzchen“ steckt „placenta“, „der Kuchen“, in „Oblate“ das Partizip „oblatum““ zum Verb „offerre“, „darbringen“. Beim Abendmahl wird dieses Gebäck gereicht, aber eben auch in der Weihnachtszeit. „Nugat“ kennen wir im Deutschen seit dem 19. Jahrhundert, in ihm steckt das lateinische „nux“, „die Nuss“. Und jeder, der lateinische Sprachkenntnisse hat, findet wohl im „Marzipan“ lateinisches „Brot“, „panis“. Das kommt aber auch im „Kumpel“, einer Kurzform von „Kumpan“ vor. Das ist derjenige, mit dem zusammen (lat. „cum“) man das Brot teilt und isst.

„Quem pastores laudavere“ – „wen die Hirten lobeten sehre“ so beginnt ein alter Wechselgesang zur Christmette, Latein und Deutsch werden abwechselnd gesungen, und zwar von unterschiedlichen Plätzen in der Kirche. Dies steht symbolisch dafür, dass der ganze Erdenkreis die Geburt Christi begrüßt.

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Ein kultureller Höhepunkt der Weihnachtszeit ist die Aufführung des Bach‘schen Weihnachtsoratoriums, das 1734/35 in der Leipziger Thomaskirche aufgeführt wurde. „Orare“ mit den Bedeutungen „bitten, reden“ weist darauf hin, dass hier ein Erzähler auftritt, der mit Chören, Einzelgesängen und Orchester die Weihnachtsgeschichte erzählt.

Christliche Weihnachten und die tote Sprache der heidnischen Römer sind eine wunderbare Symbiose eingegangen, ebenso wie alte und neue Sprachen. Latein lebt also weiter, es ist nicht tot! 

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Foto: silviarita via Pixabay (CC0: http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de))
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